Stuttgart investiert 39 Millionen Euro in die Digitalisierung von KiTas und Schulen. Während weltweit immer mehr Länder die Digitalisierung rückgängig machen, bezeichnet das Amtsblatt dies als Innovationsschub. In einer 3-teiligen Artikelserie analysiert Peter Hensinger von SÖS diesen Schritt.
Weiterlesen „Digitalisierung von KiTas und Schulen (I)“
Kategorie: Stellungnahmen
Stellungnahmen
Zwangsdigitalisierung per Koalitionsvertrag?
oder: Von „digital first“ über „digital only“ zur technizistischen Demokratur
Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 9. April 2025 liest sich im Kapitel 2.3 zur Digitalisierung wie die Erfüllung des Wunschzettels der IT-Wirtschaft und ihrer Lobbyverbände. Aus „digital first“ wird sogar „digital only“. Dabei hatte Bundespräsident Steinmeier schon 2019 gemahnt: „Nicht um die Digitalisierung der Demokratie müssen wir uns zuallererst kümmern, sondern um die Demokratisierung des Digitalen!“ Wir müssen über ethische und soziale Folgen der Technik diskutieren und die Frage beantworten, für was man Computersysteme einsetzen darf – und für was nicht. Nicht das technisch Machbare, das zu Verantwortende muss der Maßstab sein. Daher gilt für den Koalitionsvertrag: Die Hausaufgaben sind noch nicht gemacht.
Von Ralf Lankau, April 2025
Teil I: Der Koalitionsvertrag als Loblied der Digitaltechnik
Teil II: Konsequenzen für Bildungseinrichtungen
Der Beitrag (12 Seiten) als PDF: Lankau (2025) Zwangsdigitalisierung per Koalitionsvertrag?
75 Experten: Digitale Bildungspolitik beenden, Smartphone-freie Schulen
Appell an die neue Bundesregierung: „Humane und emanzipierende Bildungspolitik vs. digitale Transformation“
Pressemitteilung. Offenburg, 12.03.2025.
Ein Appell von 75 Expertinnen und Experten aus Pädagogik und Medizin warnt die neue Bundesregierung eindringlich davor, im Bildungssystem weiterhin auf Digitalisierung zu setzen. Sie fordern einen Kurswechsel – zum Wohl der körperlichen und geistigen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Initiatoren des Appells sind u.a. der Medienpädagoge Prof. Ralf Lankau (Hochschule Offenburg), der Ordinarius für Schulpädagogik Prof. Klaus Zierer (Uni Augsburg), der Psychiater Prof. Manfred Spitzer (Uni-Klinik Ulm), der bekannte Kinder- und Jugendarzt Dr. Uwe Büsching sowie der Lehrer und Schulbuchautor Dr. Mario Gerwig (Basel).

Weiterlesen „75 Experten: Digitale Bildungspolitik beenden, Smartphone-freie Schulen“
Wirtschaftsinteressen vor Kindeswohl?
UN-Kinderrechtskonvention 1989 und „Recht auf digitale Teilhabe“ 2021 – Aufforderung an die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ), sich dem Verbot kommerzieller, sozial nur genannter Dienste und privater digitaler Endgeräte (Smartphones) in Schulen anzuschließen.
Von Ralf Lankau und Uwe Büsching (Kurzfassung)
Weiterlesen „Wirtschaftsinteressen vor Kindeswohl?“
Gemeinderatsfraktion stellt Kita-Digitalisierung in Frage
Mit einer Anfrage (27.10.2023) stellt die Stuttgarter FrAktion (LINKE, SÖS, Piraten, Tierschutzpartei) im Gemeinderat infrage, ob das Konzept zur praktischen Medienarbeit in städtischen Kindertageseinrichtungen des Stuttgarter Jugendamts dafür geeignet ist, Kinder in ihrer geistigen und psychischen Reife und Entwicklung zu fördern.
Weiterlesen „Gemeinderatsfraktion stellt Kita-Digitalisierung in Frage“
„Kümmert euch endlich um die Kinder, nicht um Tablets!“
Professor Zierer zur Ankündigung von CSU-Generalsekretär Huber, bis 2028 alle Schülerinnen und Schüler mit Tablets auszustatten
Pressestatement zu dpa-infocom, dpa:230808-99-768206/2
Als „Bildungspolitischen Aktionismus“ bezeichnet Klaus Zierer das Versprechen der bayerischen Regierungspartei, in den nächsten fünf Jahren über 1,6 Millionen Schülerinnen und Schüler an gut 6.400 Schulen in Bayern mit Tablets auszustatten. Hier werde ohne wissenschaftliche Evidenz über wichtigere pädagogische Herausforderungen hinweggegangen. Das folgende Statement des Augsburger Ordinarius hinterfragt den parteipolitischen Kurs und begründet die Kritik mit empirischen Forschungsergebnissen.
Weiterlesen „„Kümmert euch endlich um die Kinder, nicht um Tablets!““
Karolinska-Institut (Schweden): Stellungnahme zur nationalen Digitalisierungsstrategie in der Bildung
Die schwedische Regierung machte ihre Entscheidung, Vorschulen verpflichtend mit digitalen Geräten auszustatten, rückgängig. Die neue Position fußt wesentlich auf der Stellungnahme des Karolinska Instituts, formuliert von Lisa Thorell, Professorin für Entwicklungspsychologie; Torkel Klingberg, Professor für kognitive Neurowissenschaften; Agneta Herlitz, Professorin für Psychologie; Andreas Olsson, Professor für Psychologie und Ulrika Ådén, Professorin und Beraterin für Neonatologie.

Die Bildungsministerin Lotta Edholm begründete die Kehrtwende: „Es ist offensichtlich, dass Bildschirme große Nachteile für kleine Kinder haben. Sie behindern das Lernen und die Sprachentwicklung. Zu viel Bildschirmzeit kann zu Konzentrationsschwierigkeiten führen und die körperliche Aktivität verdrängen. Wir wissen, dass menschliche Interaktion für das Lernen in den ersten Lebensjahren entscheidend ist. Bildschirme haben in Vorschulen einfach nichts zu suchen.“ (zit. n. Homepage der Schweden Liberalen , der Partei, der Frau Edholm angehört; 7.7.23)
In der Zusammenfassung der Stellungnahme des Karolinska Institutes heißt es:
„Der von der Nationalen Agentur für Bildung vorgelegte Vorschlag für eine Digitalisierungsstrategie beinhaltet zwei übergreifende Ziele:
- Alle Kinder und Schüler sollen digitale Kompetenzen entwickeln, um aktiv am Unterricht, am sozialen Leben und am Arbeitsleben teilnehmen zu können, um zu einer nachhaltigen und demokratischen Gesellschaft beizutragen, und
- Die Qualität des Unterrichts, die Gleichwertigkeit und das Erreichen der Ziele sollen durch die Nutzung der Möglichkeiten, die die Digitalisierung in den verschiedenen Bereichen des Schulsystems bietet, verbessert werden.
In ihrem Bericht beschreibt die Nationale Agentur für Bildung, wie die zunehmende Digitalisierung zu verschiedenen positiven Effekten sowohl für die Schulen als auch für die Gesellschaft führen wird. Wir sehen in dem Bericht insgesamt drei Probleme:
- Die Annahme, dass die Digitalisierung die von der schwedischen Bildungsbehörde erwarteten positiven Effekte haben wird, ist nicht evidenzbasiert, d.h. nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhend. Wir fordern quantitative Studien, die die Auswirkungen der verschiedenen Maßnahmen auf den Wissenserwerb und die digitale Kompetenz messen.
- Die Nationale Bildungsagentur scheint sich überhaupt nicht bewusst zu sein, dass die Forschung gezeigt hat, dass die Digitalisierung der Schulen große, negative Auswirkungen auf den Wissenserwerb der Schüler hat.
- Der Vorschlag der schwedischen Bildungsbehörde enthält keine konkreten Vorschläge, wie die Schulen bei der Umsetzung der Digitalisierungsstrategie vorgehen sollen, obwohl der Behörde sehr wohl bewusst sein muss, dass viele Schulen (insbesondere in benachteiligten Gebieten) große Schwierigkeiten haben, qualifizierte Lehrkräfte zu finden, und dass nur sehr wenige Lehrkräfte im Umgang mit digitalen Werkzeugen geschult wurden.“
Einige Kernsätze aus der Stellungnahme:
„Wie wir weiter unten ausführlicher erläutern, zeigt die Forschung, dass die Digitalisierung der Schulen in dem Ausmaß, wie sie in Schweden bereits stattgefunden hat, viele Nachteile mit sich bringt, und dass eine verstärkte Digitalisierung weitere negative Folgen haben könnte.“
„Es gibt eindeutige wissenschaftliche Belege dafür, dass digitale Werkzeuge das Lernen der Schüler eher beeinträchtigen als verbessern.“
„Wichtige schulpolitische Entscheidungen sollten nicht getroffen werden, ohne dass man vorher weiß, was die Forschung sagt.“
„Das Wissen über die negativen Auswirkungen der Digitalisierung ist also schon seit vielen Jahren vorhanden, aber die schwedische Bildungsbehörde scheint sich dessen nicht bewusst zu sein.“
„Wir verweisen auf eine kürzlich veröffentlichte Zusammenfassung des schwedischen Medienrats (Nutley & Thorell, 2022), in der ein positiver Zusammenhang zwischen der Bildschirmzeit und verschiedenen Aspekten der psychischen Gesundheit (z. B. Depressionen, Angstzustände, Konzentrationsprobleme, geringes Selbstwertgefühl, Essstörungen, Schlafprobleme) und der körperlichen Gesundheit (z. B. Fettleibigkeit, Kurzsichtigkeit, schlechtere motorische Fähigkeiten) beschrieben wird.“
„Wenn digitale Werkzeuge bereits bei sehr kleinen Kindern im Vorschulalter eingesetzt werden, wird es für die Eltern unmöglich sein, die Empfehlungen zu befolgen, dass Kinder vor dem zweiten Lebensjahr keine Bildschirme benutzen sollten.
„Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die zunehmende Digitalisierung der Schulen unseres Erachtens bereits erhebliche negative Folgen aufweist, da sie vermittelt, dass Wissen etwas Relatives ist – ein solcher Ansatz stellt eine ernsthafte Bedrohung für den Wissenserwerb der Schüler dar.“
„Wir sind der Meinung, dass der Schwerpunkt wieder auf den Wissenserwerb über gedruckte Schulbücher und das Fachwissen des Lehrers gelegt werden sollte, anstatt das Wissen in erster Linie aus frei zugänglichen digitalen Quellen zu erwerben, die nicht auf ihre Richtigkeit überprüft wurden.“
Download
Stellungnahme des Karolinska-Institutes zur nationalen Digitalisierungsstrategie in der Bildung (Schwedisch): Beslut om yttrande över förslag till nationell digitaliseringsstrategi för skolväsendet 2023–2027. (Ert dnr U2022/03951, vårt dnr 1-322/2023)
(Übersetzung Diagnose Funk)
Diskutieren Sie in ihrem Umfeld über die Stellungnahme
Diese Stellungnahme ist keine Einzelmeinung einer Fakultät, sondern wurde von der Gesamt-Universität an die Politik übergeben. Die Karolinska-Universität ist eine der bedeutendesten Universitäten der nordischen Länder.
Verbreiten Sie diese wichtige, wissenschaftlich fundierte Stellungnahme gegen die Frühdigitalisierung in Kitas und Grundschulen an Lehrer, Rektoren, Erzieher, Elternbeiräte und Politiker und diskutieren Sie über die notwendigen Konsequenzen für die Bildungseinrichtungen in Deutschland.
Von Peter Hensinger
Sind MS-365 und Teams in Schulen datenschutzkonform?
Microsoft reagiert mit einer Stellungnahme und bestätigt die Kritik
Die Frage, ob sich Microsoft-Produkte in Bildungseinrichtungen datenschutzkonform einsetzen lassen, diskutieren die Datenschutzbeauftragten der Länder kontrovers. Mit einer interessanten Argumentation versucht Microsoft Deutschland jetzt, die Zweifel zu entkräften – und bestätigt damit einmal mehr, dass und warum US-Software in Schulen nicht eingesetzt werden darf. Von Ralf Lankau
Weiterlesen „Sind MS-365 und Teams in Schulen datenschutzkonform?“
Digitalpakt Schule: Heiße Luft und hohe Kosten
Bundesrechnungshof fordert Ende des Digitalpakts Schule
Wer sich an die vollmundigen Versprechen der damaligen Bundesbildungsministerin Johanna Wanka zum Digitalpakt Schule 2016 erinnert oder die Pressemeldung Nr. 16 ihrer Nachfolgerin aus dem März 2022 liest, dürfte vom Bericht des Bundesrechnungshofes überrascht sein, der ein Ende dieser Ausgaben fordert. Von Ralf Lankau
Weiterlesen „Digitalpakt Schule: Heiße Luft und hohe Kosten“