Cyberattacke auf die Nervennetze des Gehirns

Wohin führt die digitale Revolution?

Interview von Johanna Wenninger-Muhr mit Frau Professorin Dr. Gertraud Teuchert-Noodt, in Umwelt – Medizin – Gesellschaft Heft 3/2017, S. 28-32

Beschleunigung und Verlust von Raum und von Zeit: Lebenslang bleiben psycho-kognitive Funktionen – vor dem Hintergrund einer raum-zeitlichen Arbeit der Nervennetze – definierten biologischen Bedingungen unterstellt. Erstmals in der Menschheitsgeschichte wird uns durch die Digitalisierung diese für Denkprozesse absolut notwendige neuronale Grundlage streitig gemacht. „Digitale Medien erfüllen inzwischen einen fundamentalen Traum der Menschheit: Die Beherrschung von Zeit und Raum. Doch das birgt gleichzeitig eine große Gefahr in sich“, sagt Hirnforscherin Professor Dr. Gertraud Teuchert-Noodt von der Universität Bielefeld. Behalten Medien-User nicht die Oberhand über ihr Tun und Planen, erliegen sie unmerklich einer Art Cyberattacke auf die Netzwerke ihres Gehirns.

Attackiert würden speziell diejenigen Subsysteme, die für die Gedächtnisbildung und für die kognitiven Leistungen verantwortlich sind. Das könne den Verlust der kognitiven Urteilsfähigkeit, Angstsyndrom, Sucht, Burnout und Depression auslösen. Eine neue Herausforderung sowohl im Studium als auch in der Arbeitswelt werde es sein, nicht zuzulassen, dass die Medien uns in ihre Dienste stellen. Es sei deshalb nützlich, mehr über jene Nervennetze im Gehirn zu wissen, die uns stark machen. Anfang Mai referierte die Hirnforscherin an der Technischen Universität Darmstadt zum Thema „Wohin führt die digitale Revolution?“. „Wenn wir den Karren so weiter laufen lassen, wird das eine ganze Generation von digitalisierten Kindern in die Steinzeit zurückwerfen“, warnt Teuchert-Noodt. Johanna Wenninger-Muhr hat mit der Hirnforscherin gesprochen.

Frau Teuchert-Noodt, Sie sprechen von der „Cyberattacke auf die Nervennetze des Gehirns“. Was ist damit gemeint, was kann / muss sich der Laie darunter vorstellen?

Professor Dr. Dr. Gertraud Teuchert-Noodt: Es ist was es ist: Egal, ob eine Cyberattacke mittelbar auf die für spezifische Infrastrukturen wichtigen Computernetzwerke von digital hochgerüsteten Einrichtungen oder unmittelbar auf spezifische Nervennetze des Gehirns gerichtet ist, beides hat eine entsprechende Durchschlagskraft. Also, ebenso wie Hacker die Stromversorgung eines Krankenhauses lahmlegen können, können digitale Medien-User in ihrem eigenen Gehirn die Versorgungszentrale für die gesamte Informationsverarbeitung auf psycho-kognitiver Ebene außer Kraft setzen und eine mentale Erschöpfung herbeiführen. Vielleicht ist ein Hirn-Crash sogar noch schlimmer. Denn die neurochemisch und hirnrhythmisch gesteuerten Funktionen in den entsprechenden höchsten Hirnarealen – dem limbisch-präfrontalen System – tun sich mit einer Erholung von einer digital induzierten Attacke sehr schwer, zumal diese mit einer sich anfangs unmerklich einschleichenden Symptomatik einhergeht.

Wie ist das menschliche Gehirn auf die Digitalisierung vorbereitet?

Teuchert-Noodt: Das menschliche Gehirn ist auf die Digitalisierung spätestens seit drei Jahrtausenden vorbereitet, nämlich seit die Phönizier das bis heute gültige Alphabet in Szene gesetzt haben. Damit konnte – allerdings erst seit drei Jahrhunderten – die Beschulung des Kindes durch schreiben, lesen und rechnen lernen zum kulturellen und technischen Erfolgsschlager werden. …

Das ganze Interview (5 Seiten) als PDF: Teuchert-Noodt:  Cyberattacke auf die Nervennetze (UMG 3/2017)

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