13 000 iPads für den Unterricht – ist das legal?

Betr.: Digitalisierung an Stuttgarter Schulen / Ihr Interview in der Stuttgarter Zeitung vom 04.11.2020; Brief der BI Mobilfunk Stuttgart an die Schulbürgermeisterin Isabel Fezer

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Fezer,

in der Stuttgarter Zeitung vom 4. November 2020  beschreiben Sie den Stand der Digitalisierung der Schulen. Es ist sicher überfällig, dass alle Schulen mit Glasfaser versorgt werden müssen, um digitale Medien als Hilfsmittel im Unterricht einsetzen zu können. Doch gleichzeitig scheint mir, wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und es werden Sicherheitsnormen nicht berücksichtigt. Elternbeiräte haben sich an uns gewandt, ob diese Ausstattung mit iPads pädagogisch sinnvoll, arbeitsergonomisch zertifiziert und die WLANisierung der Schulen wegen Gesundheitsrisiken nützlich und rechtens ist. Wir bitten um eine Beantwortung unserer Fragen.

1. Sind iPads auf Grund der arbeitsergonomischen Vorschriften an Schulen zulässig?  

13 000 iPads hat die Stadt für Schüler besorgt. Von den Berufsgenossenschaften gibt es für Bildschirmarbeitsplätze Normen, um Nutzer vor körperlichen Schädigungen zu schützen. Wurden diese Vorschriften bei der Ausstattung der Schulen berücksichtigt? Das betrifft nicht nur die Strahlungsnormen von Bildschirmen (TCO-Normierung), sondern aktuell vor allem:

  • Die ergonomische Einrichtung von Klassenzimmern / Bildschirmarbeitsplätzen an Schulen, so dass keine Haltungsschäden, insbesondere für die Nackenmuskulatur und die Wirbelsäule entstehen. Die Arbeitsplatzergonomie erfordert eine an die Größe der Kinder angepasste Höhe der Tische und entsprechende Stühle.
  • Die Vermeidung von Augenschädigungen, die an den für das Lernen ungeeigneten Bildschirmgrößen von Smartphones, iPads und TabletPCs nachgewiesenermaßen entstehen. Diese Geräte erfüllen die Sicherheitsnormen nicht: „Notebooks und Tablets, die nicht die sicherheitstechni­schen, arbeitsmedizinischen und ergonomischen Forde­rungen dieser Information, insbesondere bezüglich der Tastaturausführung, der Trennung der Tastatur vom Bild­schirm oder der Qualität der Zeichendarstellung erfüllen, sind nicht für die regelmäßige Benutzung an einem Büro­arbeitsplatz geeignet“ (DGUV Information 215-410 Juli 2019).  [1]

Deshalb ist zu prüfen, ob vor der derzeit stattfindenden Ausgabe von digitalen Geräten an den Schulen diese Sicherheitsnormen durch Experten für Arbeitsergonomie überprüft und die Geräte freigegeben wurden. Darüberhinaus bitten wir um eine Auskunft, von welchem Institut diese Geräte für den Unterricht zertifiziert wurden.

2. WLAN gilt als hochschädliche Technologie

2.1. Forschungslage zu WLAN. Mehr als 100 Studien liegen vor, die schädliche Auswirkungen von WLAN, u.a. auf den Schlaf, die Konzentration und das Lernen nachweisen. Insbesondere negative Auswirkungen auf den Hippocampus, Sitz einer zentralen Steuerfunktion im Gehirn für das Lernen, werden immer wieder in Studien bestätigt.[2] Die Mobilfunkstrahlung (=nichtionisierende Strahlung) wurde von der WHO schon 2011 als „möglicherweise Krebs erregend“ (2B) eingestuft. Die Ergebnisse neuester Studien, der US-amerika­nischen NTP-, der italienischen Ramazzini- und den umfangreichen österreichischen AUVA-Studien sind eindeutig: Mobilfunkstrahlung kann Krebs auslösen.[3] Das deutsche Bundesamt für Strahlen­schutz stellt nach zwei eigenen Studien fest: die Strahlung ist Krebs promo­vierend.[4]  Die neueste Metaanalyse von Choi et al. (2020) bestätigt, dass für Vielnutzer -17 Minuten tägliche Handynutzung über 10 Jahre – signifikante Beweise für eine erhöhtes Tumorrisiko vorliegen.[5] Wie kann es verantwortet werden, eine solche Technologie an Schulen einzusetzen, an denen vielleicht auch Schüler und Lehrer mit einer Krebsbiographie oder andere Risikogruppen sich aufhalten? Sie werden sich jetzt auf die Grenzwerte berufen. Doch diese haben keine medizinische Schutzfunktion. Auf der Seite des Schweizer Bundesamtes für Umwelt heißt es zu den Grenzwerten:

Die Anlagegrenzwerte stützen sich nicht auf medizinische oder biologische Erkenntnisse, sondern sind anhand technischer, betrieblicher und wirtschaftlicher Kriterien festgelegt worden.“ [6] Das bestätigte vor Jahren bereits die deutsche Bundesregierung.[7] Haben die gekauften iPads einen Kabelanschluss?

2.2. Alternativen zu WLAN. Die Landesregierung und die Stadt Stuttgart waren deutschlandweit entscheidend an der Entwicklung einer Alternative zu WLAN beteiligt, der Visual Light Communication (VLC) bzw. Light Fidelity (LiFi) Technologie. Projekte auf der Insel Mainau und am Hegel-Gymnasium Stuttgart wurden gefördert.[8] Mittlerweile wurde diese Technologie von mehreren Firmen zur Serienreife entwickelt und deren Produkte sind nun kommerziell erhältlich.[9] Die Technologien LiFi und VLC erfüllen die zukünftigen Anforderungen nach der Verarbeitung höherer Datenraten, da sie in höher frequentem Bereich als WLAN, nämlich denen des sichtbaren bzw. des infraroten Lichts, liegen. Auch bezüglich der Datensicherheit liegen die Vorteile von LiFi und VLC direkt auf der Hand. Licht wird im physikalischen Raum begrenzt und durchdringt keine Wände, damit sind Angriffe von außerhalb nicht möglich. Nicht zuletzt dienen diese neuen optischen Technologien generell der Vorsorge vor negativen gesundheitlichen Auswirkungen durch Frequenzen im Bereich des WLAN.

Warum setzt man noch immer auf das nachgewiesenermaßen gesundheitsschädliche WLAN, wenn die, nach jetzigem Kenntnisstand, unschädlichen optischen Technologien vorhanden und zur Marktreife entwickelt sind? In einem Institut  an der DHBW im Campus Stadtmitte am Rotebühlplatz werden sowohl LiFi als auch VLC angewandt, und können dort besichtigt werden.

2.3. Abschaltbares und leistungsgeregeltes WLAN. Viele WLAN Netze sind an Schulen bei Nichtnutzung nicht abschaltbar und nicht leistungsgeregelt. Wenn schon WLAN an Schulen genutzt werden soll, dann ist beim Einbau / Neubau unbedingt darauf zu achten, dass das WLAN pro Klassenraum abschaltbar ist und leistungsgeregelt pro Zimmer funktioniert.

3. Kein Mensch lernt digital. Sowohl die Hattie-Studie, die OECD-Studie und viele andere Arbeiten ergaben, dass Lernen mit digitalen Geräten nicht zu besserem Lernen führt. Zum zweiten warnen Ergebnisse aus der Neurobiologie davor, dass die Nutzung der Endgeräte Kinder nahezu automatisch süchtig macht und sie deshalb vor dem 16. Lebensjahr nicht benutzt werden sollten, v.a. aber die Grundschulen digitalfrei sein sollten. Unsere Kontrollinstanz, das Stirnhirn, ist bei Kindern und Jugendlichen vor dem 16. Lebensjahr noch nicht ausgereift und nicht in der Lage, eine Impulskontrolle auszuüben. Kinder und Jugendliche sind den Suchtmechanismen ausgeliefert, eine irreversible Schädigung des Gehirns findet statt, auch wenn die Smartphonenutzung limitiert ist. Kinder müssen zur Medienmündigkeit erzogen werden. Der Autor des Buches „Die Katastrophe der digitalen Bildung“, Ingo Leipner, schreibt:

  •  „Der Begriff „digitale Bildung“ hat keinen Inhalt, weil Bildung nicht auf Bits und Bytes beruht. Im Gegenteil: Gerade in Kindergarten und Grundschule müssen Kinder reale Erfahrungen machen (Singen, Tanzen, Malen). Das fördert ihre kognitive Entwicklung – und ist evolutionär so vorgesehen. Es geht um die senso-motorische Integration: Erst das aktive Zusammenspiel von Sinneserfahrungen (senso) und körperlicher Betätigung (motorisch) schafft die Grundlagen, damit sich Kinder geistig entwickeln. Sitzen sie aber lange Zeit vor Bildschirmen, reduziert sich die Zahl der Sinneseindrücke; am Ende bleiben visuelle und akustische Reize übrig. Die Kinder „erstarren“ in ihren Bewegungen, weil sie wie gebannt auf den Bildschirm blicken. Gegenargument: Es geht beides, analoges und virtuelles Leben … Nein! Die hohe Nutzungszeit bei Kindern zeigt: Virtuelle Erfahrungen verdrängen zunehmend das reale Leben.“

Wie wurden diese Gesichtspunkte in Ihrem Haus diskutiert, welche Maßnahmen werden ergriffen, um diese Risiken zu vermeiden?

4. Datenschutz.  Im Interview nehmen sich nicht Stellung dazu, wie bei freiem WLAN der Datenschutz gewährleistet wird und ob Microsoft-Programme benutzt werden und die Daten damit bei den IT-Konzernen landen, um digitale Profile der Kinder und Jugendlichen zu erstellen. Frau Kultusministerin Eisenmann bekam für solche Vorhaben ja den BigBrother Award 2020. Wie stellen Sie den Datenschutz sicher. Werden Eltern über diese Daten-Risiken bzw. ihre Vermeidung aufgeklärt?

5. Ökonomischer / Ökologischer Fußabdruck. Wurde ein ökonomischer/ökologischer Fußabdruck aller Folgen der Digitalisierung der Schulen erstellt?

6. Suchtpotential digitaler Geräte. Studien haben ergeben, dass die Geräte, wenn sie zur privaten Nutzung an Kinder und Jugendliche ausgegeben werden, zum Großteil für Entertainment bis hin zur Pornografie, zum geringsten Teil für Lernen genutzt werden und sich dadurch die Zahl der süchtigen Kinder und Jugendlichen erhöht. In der Pandemie explodierte der Medienkonsum unserer Kinder regelrecht: Die DAK spricht in ihrer jüngsten Studie (2020) von „alarmierenden Zahlen“, bei fast 700.000 Kindern und Jugendlichen ist Gaming riskant oder bereits pathologisch. Im Lockdown hat sich deren Spielzeit fast verdoppelt (von 79 auf 139 Minuten/Werktag). Ähnlich problematisch ist die Nutzung von Social-Media (Anstieg von 116 auf 193 Minuten/Werktag). [10] Wie wird diesem Risiko vorgebeugt?

7. Ausbildung an digitalen Geräten. Kinder und Jugendliche müssen auf eine Welt, in der digitale Geräte eine beherrschende Rolle spielen, so vorbereitet werden, dass sie diese Geräte beherrschen und nicht umgekehrt. Dazu müssen sie über Grundfertigkeiten, Reflexionsfähigkeit und Impulskontrolle verfügen, die frühestens ab 12.-16. Lebensjahr ausgereift sind. Deshalb müssen Grundschulen digitalfreie Schutzzonen sein. Das sollte dennoch beeinhalten, dass über die Rolle, Funktion und Gefahren dieser Technologie kindgerecht unterrichtet wird. Zum Vergleich: Es findet auch eine Verkehrserziehung statt, ohne dass die Kinder einen Führerschein und ein Auto besitzen, denn erst ab dem 18. Lebensjahr ist das Gehirn für solche Anforderungen ausgereift. Das trifft auch auf das Rauchen und den Alkohol zu. Für die Nutzung digitaler Geräte heißt das, dass je nach Schulart erst ab dem 12.-16. Lebensjahr die direkte Ausbildung für einen sinnvollen und produktiven Umgang mit diesen Geräten stattfinden sollte. Dazu schlagen wir Exzellenzräume vor, die mit neuester Technik an verkabelten PCs, 3-D-Druckern, Ton-und Filmstudios ausgerüstet sind, damit wirklich technische Fähigkeiten gelernt werden.

Ich bitte Sie um eine Antwort auf diese Fragen.

Mit freundlichen Grüßen

Bürgerinitiative Mobilfunk Stuttgart ( www.MobilfunkStuttgart.de    10.11.2020)

gez. i.A. Peter Hensinger

Quellen:

[1] Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV)(2019): Bildschirm- und Büroarbeitsplätze, Leitfaden für die Gestaltung : „Notebooks und Tablets, die nicht die sicherheitstechni­schen, arbeitsmedizinischen und ergonomischen Forde­rungen dieser Information, insbesondere bezüglich der Tastaturausführung, der Trennung der Tastatur vom Bild­schirm oder der Qualität der Zeichendarstellung erfüllen, sind nicht für die regelmäßige Benutzung an einem Büro­arbeitsplatz geeignet. Sollen Notebooks und Tablets außer im Außendienst auch regelmäßig an einem Büroarbeitsplatz eingesetzt werden, so müssen sie alle Anforderungen der Arbeitsstättenver­ordnung erfüllen. Dies kann zum Beispiel durch den An­schluss einer externen Tastatur und Maus und gegebe­nenfalls eines zusätzlichen Bildschirms – zum Beispiel mittels Dockingstation – erreicht werden.“

http://www.vbg.de/SharedDocs/Medien-Center/DE/Broschuere/Themen/Bildschirm_und_Bueroarbeit/DGUV_Information_215_410_Bildschirm-_und_Bueroarbeitsplaetze.pdf?__blob=publicationFile&v=23

[2] Wilke I (2018): Biologische und pathologische Wirkungen der Strahlung von 2,45 GHz auf Zellen, Kognition und Verhalten. umwelt · medizin · gesellschaft 1/2018

Naziroglu M, Akman H (2014): Effects of Cellular Phone – and Wi-Fi – Induced Electromagnetic Radiation on Oxidative Stress and Molecular Pathways in Brain, in: I. Laher (ed): Systems Biology of Free Radicals and Antioxidants, Springer Berlin Heidelberg, 106, S. 2431-2449

Hensinger P (2020): WLAN an Kindertagesstätten und Schulen: Ein Hype verdeckt die Risiken, umwelt-medizin-gesellschaft 1/2020

Kumar R, Deshmukh PS, Sharma S, Banerjee BD (2020): Effect of mobile phone signal radiation on epigenetic modulation in the hippocampus of Wistar rat. Environmental Research 192, 110297

[3] NTP (2018a): NTP Technical Report on the toxicology an carcinogenesis in Hsd: Sprague Dawley SD Rats exposed to whole-body radio frequency radiation at a Frequency (900 MHz) an modulations (GSM an CDMA) used by cellphones, https://ntp.niehs.nih.gov/ntp/about_ntp/trpanel/2018/march/tr595peerdraft.pdf

NTP (2018b): NTP Technical Report on the toxicology an carcinogenesis in B6C3F1/N MICE exposed to whole-body radio frequency radiation at a Frequency (1,900 MHz) and modulations (GSM AND CDMA) used by cellphones, https://ntp.niehs.nih.gov/ntp/about_ntp/trpanel/2018/march/tr596peerdraft.pdf

Falcioni L et al.(2018): Report of final results regarding brain and heart tumors in Sprague-Dawley rats exposed from prenatal life until natural death to mobile phone radiofrequency field representative of a 1.8 GHz GSM base station environmental emission. Environ Res 2018; 165: 496-503

ATHEM-2 (2016): Untersuchung athermischer Wirkungen elektromagnetischer Felder im Mobilfunkbereich, AUVA Report-Nr.70; Hrsg. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Österreich

[4] Lerchl A et al. (2015): Tumor promotion by exposure to radiofrequency electromagnetic fields below exposure limits for humans. Biochem Biophys Res Commun 2015; 459 (4): 585-590

[5] Choi et al. (2020): Cellular Phone use und Risk of Tumor: Systematic Review and Meta-Analysis, International Journal of Environmental Research and Public Health, 2020, 17, 8079:

„In sum, the updated comprehensive meta-analysis of case-control studies found significant evidence linking cellular phone use to increased tumor risk, especially among cell phone users with cumulative cell phone use of 1000 or more hours in their lifetime (which corresponds to about 17 min per day over 10 years), and especially among studies that employed high quality methods.“

[6] https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/elektrosmog/fachinformationen/massnahmen-elektrosmog/elektrosmog–die-grenzwerte-im-ueberblick.html

[7] Bundestagsdrucksache 14/7958 (2002), S. 14, S. 18; http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/14/079/1407958.pdf

[8] https://www.diagnose-funk.org/themen/mobilfunk-alternativen/visible-light-communication/ pilotprojekt-vlc-auf-insel-mainau

[9] Firma PureLiFi: https://purelifi.com/; Firma Oledcomm: https://www.oledcomm.net/; Firma Signify: https://www.signify.com/de-de/innovation/trulifi

[10] DAK-Studie: Game- und Social-Media-Konsum im Kindes- und Jugendalter Wiederholungsbefragung vor dem Hintergrund der Corona-Krise (Längsschnittuntersuchung), 05.2020