Wahlmöglichkeiten sichern!

Großes Echo der Petition

ELIANT und Bündnis für humane Bildung schließen Sammlung der Unterschriften ab

95.852* Menschen aus ganz Europa unterstützen mit ihrer Unterschrift, was wir für das Bildungssystem fordern: den Erhalt der Wahlmöglichkeit für bildschirmfreie Kindergärten und Grundschulen. Bildungsverantwortliche müssen selbst entscheiden können, ob und für was sie digitale Medien als Hilfsmittel einsetzen.

Dies gilt ganz besonders für die ersten zwölf Lebensjahre, in denen die sensomotorische Entwicklung und die fundamentalen sozialen und emotionalen Reifungsschritte erfolgen. Die Unterschriften wurden gesammelt, um angesichts des von der EU-Kommission verabschiedeten Aktionsplans für digitale Bildung 2021-27 deutlich zu machen, dass die angestrebte „Förderung eines leistungsstarken digitalen Bildungsökosystems“ sowie „die Stärkung der digitalen Kompetenzen der Bevölkerung im digitalen Zeitalter“ dem humanen und realweltlichen Bildungsbedarf der Kinder und Jugendlichen ausreichend gerecht wird. 95.852* Unterschriften sind ein starkes Plädoyer für diese wichtige Forderung.

Der Hintergrund: Wirtschaft und Politik treiben mit hoher Geschwindigkeit die digitale Transformation der Gesellschaft voran. Das geschieht an Schulen unter dem Stichwort „Digitale Bildung.“ Die Technik dazu sind heute Smartphones, Tablets und WLAN. Dabei werden Unterricht, Schule und Lernen zunehmend über (Medien-)Technik definiert. Die 95.852* Unterzeichner dieser Petition setzen sich europaweit für eine „Humane Bildung“ ein, die sich an den Stufen und Gesetzmäßigkeiten der körperlichen, seelischen und geistigen Entwicklung orientiert. Die Unterzeichner halten die Vermittlung umfassender digitaler Kompetenz selbstverständlich für eine wesentliche Aufgabe der Schule. Diese hat aber neben einem grundlegenden Verständnis der Funktionsweise digitaler Technologie auch die Befähigung zum kreativen, verantwortlichen und kritischen Gebrauch zum Ziel.

Doch: Alles zu seiner Zeit! Kinder haben ein Recht auf Entwicklungszeit, um mit allen Sinnen, durch Bewegung und kreatives Spiel ihre realweltliche Umwelt zu erobern (senso-motorische Integration). Erst dieses Zusammenspiel aus sensorischen und motorischen Erfahrungen in der Umwelt führt dazu, dass sie sich gesund in Raum und Zeit verankern und körperlich und geistig altersangemessen entwickeln. Genau dieses Recht auf Entwicklungszeit fordern die 95.852* Unterzeichner unserer Petition. Digitale Medien, zu früh eingesetzt, sind entwicklungshemmend und reduzieren die realen Erfahrungen auf das Wischen am Bildschirm. Sie führen aufgrund geringer körperlicher Bewegung, einer Fixierung der Augen und einer kopflastigen und widerstandslosen Erfahrung zu einer neuronalen Fehlstimulation, die der gesunden Entwicklung des Gehirns zuwiderläuft. Sie gefährden Kinder in ihrer Entwicklung durch eine Reihe negativer Wirkungen: Reizüberflutung, Suchtgefahr, Entfremdung von der Natur sowie Schädigung der Impulskontrolle und des reflexiven Denkvermögens. Entwicklungspsychologie und Neurobiologie haben dazu überzeugende Forschungsergebnisse vorgelegt (1 ).

Ziel von Schule und Unterricht ist, Schüler zu selbständig entscheidenden Menschen auszubilden. Die digitale Transformation der Gesellschaft braucht Menschen, die selber denken und eigenständig entscheiden und handeln. Das lernen Kinder vor allem im Sozialverband des Klassenzimmers, durch den Dialog und das direkte Miteinander. Lernen erfolgt im harmonischen Zusammenspiel von Kopf, Herz und Hand. Das Gehirn ist ein relationales Organ, das zu seiner Entwicklung die körperliche Aktivität und Selbsterfahrung in der Umwelt braucht (2). IT-Pioniere wie Steve Jobs, Bill Gates und Jeff Bezos haben das erkannt und entsprechend gehandelt: Sie geben den eigenen Kindern keine Smartphones und regeln deren Umgang mit IT restriktiv (3).

Inhalte der Petition

Was 95.852* europäische BürgerInnen fordern:

  • Kindergärten und Grundschulen müssen das Recht und die Freiheit haben, nur mit analogen Medien zu arbeiten. Bildschirmfreie Einrichtungen dürfen finanziell nicht vernachlässigt werden. • Öffentliche Gelder sollten nicht nur der Anschaffung der Informationstechnologie zugutekommen, sondern auch in pädagogische Weiterbildungen, die den altersgerechten Umgang und das Verständnis der kindlichen Entwicklung ebenso im Fokus haben, wie die kompetente Mediennutzung. Sonst können auch die wachsenden Aufgaben, Familien mit problematischer Mediennutzung fachkundig zu beraten nicht wahrgenommen werden.
  • Es muss für Eltern und Bildungsverantwortliche möglich bleiben, eine Form der Medienerziehung zu wählen, die sich an der kindlichen Entwicklung orientiert, z. B. analoge Methoden wie „CS unplugged“ (ein Lehrprogramm, das wesentliche Funktionen aus der Informatik ohne Computer vermittelt). Grundlegende Elemente der Informatik sind frühestens ab dem 12. Lebensjahr zu unterrichten. Danach kann die Beschäftigung mit der prinzipiellen Funktionsweise von Informationstechnologie komplexer werden, etwa für Interessierte durch eine Einführung in Programmiersprachen (AG o. ä.).
  • Hard- und Software sollten erst umfassend in der Oberstufe zum Einsatz kommen (Medienkunde, -gestaltung, -nutzung und -analyse) und sinnvoll in ein pädagogisches Konzept eingebunden sein. Jugendliche sind dann aus entwicklungspsychologischer Sicht in der Lage diese Technologien nicht nur zu benützen, sondern auch ihre Funktionsweisen, Möglichkeiten und Gefahren zu durchschauen. auch sollte Schwerpunkt sein, die digitalen Medien aktiv zu nutzen, z. B. Videos zu schneiden, Websites zu gestalten oder Online-Texte zu schreiben.
  • Zu berücksichtigen sind Forschungsergebnisse zu Auswirkungen gepulster, polarisierter Mikrowellenstrahlung, die von WLAN-Routern, Smartphones und Tablets emittiert wird. Die Forschungslage zu den gesundheitlichen Risiken elektromagnetischer WLAN-Felder (bei 2450 MHz) ist eindeutig. Es gibt keinen Grund dafür, Kindergärten und Schulen mit WLAN-Anschlüssen auszustatten und Heranwachsende dieser vermeidbaren Gefährdung auszusetzen. Es muss die Wahlmöglichkeit bestehen bleiben, Schulen technisch nur über Kabel und/oder VLC ans Internet anzuschließen (4).

*Durch nachgemeldete Unterschriften ist deren Zahl am 21.01.2021 auf 96.294 gestiegen.

 

Die Akteure

Bündnis für humane Bildung

Kein Mensch lernt digital. Kein Weg ist „alternativlos“. Wir sind überzeugt: Bildung lässt sich nicht digitalisieren, höchstens Lerninhalte. Daher haben wir 2017 das „Bündnis für humane Bildung“ gegründet, um zukunftsfähige Alternativen zur „digital gesteuerten Lernfabrik 4.0“ zu entwickeln. Internet: https://www.aufwach-s-en.de

ELIANT

2006 wurde ELIANT gegründet, um sich nicht nur für Wahlfreiheit in Europa einzusetzen, sondern auch für den Erhalt und die Weiterentwicklung von Wahlmöglichkeiten und die damit verbundene kulturelle Vielfalt. ELIANT versteht sich als Europäische Allianz von Initiativen angewandter Anthroposophie. Internet: https://eliant.eu

 

Empfehlenswerte Literatur

Edwin Hübner (2020): Menschlicher Geist und Künstliche Intelligenz, Freies Geistesleben

Michaela Glöckler, Ralf Lankau, Ingo Leipner, Gertraud Teuchert-Noodt (2020): Digitale Medien im Kreuzfeuer der Kritik, Bündnis für humane Bildung

Ingo Leipner (2020): Die Katastrophe der digitalen Bildung, Redline

Ralf Lankau (2020): Alternative IT-Infrastruktur für Schule und Unterricht / 2. GBW-Flugschrift, Gesellschaft Bildung und Wissenschaft

Manfred Spitzer (2020): Die Smartphone Epidemie: Gefahren für Gesundheit, Bildung und Gesellschaft, Klett Cotta

diagnose: media (2020): Gesund aufwachsen in der digitalen Medienwelt, 4. Auflage

Michaela Glöckler (2020): Kita, Kindergarten und Schule als Orte gesunder Entwicklung, edition waldorf

Gerald Lembke, Ingo Leipner (2018): Die Lüge der digitalen Bildung. Warum unsere Kinder das Lernen verlernen, Redline

Paula Bleckmann, Ingo Leipner (2018): Heute mal bildschirmfrei. Ein Alternativprogramm für ein entspanntes Familienleben, Knaur

Ralf Lankau (2017): Kein Mensch lernt digital. Über den sinnvollen Einsatz neuer Medien im Unterricht, Beltz

Jean M. Twenge (2017): iGen. Why Today’s Super-Connected Kids Are Growing Up Less Rebellious, More Tolerant, Less Happy—and Completely Unprepared for Adulthood—and What That Means for the Rest of Us, Atria Books Nicholas Kardaras (2016): Glow Kids. How Screen Addiction Is Hijacking Our Kids – and How to Break the Trance Hardcover, St. Martin’s Press.

Paula Bleckmann (2016): Medienmündig: Wie unsere Kinder selbstbestimmt mit dem Bildschirm umgehen lernen, Klett-Cotta

Bert te Wildt (2016): Digital Junkies. Internetabhängigkeit und ihre Folgen für uns und unsere Kinder, Droemer

Edwin Hübner (2015): Medien und Pädagogik: Gesichtspunkte zum Verständnis der Medien, Grundlagen einer anthroposophisch-anthropologischen Medienpädagogik, Pädagogische Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen (Hrsg.)

Christoph Möller (Hg.) (2015): Internet- und Computersucht. Ein Praxishandbuch für Therapeuten, Pädagogen und Eltern, Kohlhammer

Alexander Markowetz (2015): Digitaler Burnout. Warum unsere permanente Smartphone-Nutzung gefährlich ist, Droemer

Manfred Spitzer (2014): Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen, Droemer TB

(1) Vgl. Teuchert-Noodt, Gertraud (2015): „Zu Risiken und Chancen fragen Sie das Gehirn“, in: Lembke, Gerald / Leipner, Ingo: „Die Lüge der digitalen Bildung“, 3. Auflage, Redline, München

(2) Vgl. Thomas Fuchs (2017): „Präsentation“, Tagung ‚A healthy digital ecosystem’“, in: https://eliant.eu/fileadmin/user_upload/Conference2017/Development_in_the_age_of_digital_media_01.pdf, Brüssel

(3) Vgl. Bilton, Nick (2014): „Steve Jobs Was a Low-Tech Parent“, in: https://www.nytimes.com/2014/09/11/fashion/steve-jobs-apple-was-a-low-tech-parent.html vom 06.02.2018

(4 ) Vgl. Wilke, Isabel (2018): „Biologische und pathologische Wirkungen der Strahlung von 2,45 GHz auf Zellen, Fruchtbarkeit, Gehirn und Verhalten“, in: umwelt-medizin-gesellschaft 1/2018. Wilke analysiert mehr als 100 Studien, die die Gesundheitsschädlichkeit von WLAN nachweisen.